Wappen und Dichter – Spezialitäten
Hallo
In den Ferien konnte ich für einen Beleg erwerben, der schön zur Thematik des letzten Betrags passt. Das Interessante an diesem Beleg ist, dass bestimmte Fragen offen bleiben – vielleicht für immer.
Bereits im letzten Beitrag hatte ich euch einen Beleg gezeigt, der eine portogerechte Mischfrankatur aus den Ausgaben Wappen und Dichter, Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar – Originalausgabe (BuS I) wie auch Neuausgabe (BuS II) – vom 27. November 1947, dem letztmöglichen Datum einer solchen Frankatur trägt. Dieser Beleg lief innerhalb des Saarlandes von Höcherberg (Mittelbexbach) nach Neunkirchen.
Der Beleg, den ich euch im Folgenden vorstellen werde, dokumentiert drei postalische Spezialitäten nach der Währungsreform vom 19. November 1947:
- das letztmögliche, offizielle Verwendungsdatum von Marken der Ausgabe Wappen und Dichter sowie der 1. Offenburger Ausgabe; grundsätzlich war dies auch das letztmögliche, offizielle Verwendungsdatum für die Marken der 2. Offenburger Ausgabe, die ohne Währungsüberdruck an die Postschalter gelangten – also der Werte zu 15 resp. 24 Pfennig
- eine portogerechte Frankatur aus allen drei Briefmarkenausgaben der Militärbehörden der Zone d’occupation française en Allemagne resp. des Saarlandes für das Saarland, also:
- Wappen und Dichter
- 1. Offenburger Ausgabe
- Malstatt-Burbacher Druck (mit Überdruck in Frankenwährung)
- den Wechsel in der postalischen Behandlung Frankreichs von Ausland zu Inland; eine Vorwegnahme der wenige Wochen später abgeschlossenen Zoll- und Währungsunion zwischen dem Saarland und Frankreich


Drei Fragen, die ein Philatelist immer stellt, wenn er einen Beleg in die Hand nimmt:
- Ist der Beleg zeitgerecht?
- Ist der Beleg portogerecht?
- Handelt es sich um einen Bedarfsbrief?
Die erste Frage haben wir bereits beantwortet. Der Umschlag, die für die Frankatur verwendeten Marken, der Stempel Saarlouis 1b mit der typischen schriftgeraden Leitgebietszahl 18, das Datum der Abstempelung sowie die Empfängeradresse: alles zeitgerecht.
Die zweite Frage können wir ebenso rasch beantworten. Das Porto für einen Brief der 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm von Saarlouis nach Frankreich betrug nach der Währungsreform ab dem 20. November 1947 6 Franken (vgl. hier).
- der Brief wiegt kaum 10 Gramm und fiel in die 1. Gewichtsstufe: der verschlossene und bis heute ungeöffnete Umschlag ist nämlich leer
- 2 Franken wurden abgedeckt durch eine Marke zu 12 Pfennig (Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, die Neuausgabe war noch nicht gedruckt) mit Überdruck 2 F
- 4 Franken wurden abgedeckt durch eine Marke zu 8 Pfennig Wappen und Dichter sowie eine Marke zu 12 Pfennig Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar

Zur Erläuterung: Der Umrechnungskurs (Saar-) Mark zu Franken wurde für die Währungsumstellung zu 1:20 fixiert; also 1 Mark = 20 Franken, resp. für den konkreten Fall: 20 Pfennig = 4 Franken.
Für die Saarländer bedeuteten die ab dem 20. November 1947 geltenden neuen Tarife eine Erhöhung des Portos für den Inlandsbrief. Kostete ein Brief der 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm bislang 24 Pfennig (4,80 Franken) mussten nun 6 Franken berappt werden. Dafür fiel das Auslandsporto nach Frankreich weg, was insbesondere Gewerbetreibende, deren Produkte überwiegend aus Frankreich stammten, positiv vermerkt haben dürften.
Die dritte Frage lautet: Ist es ein Bedarfsbrief? Diese Frage kann definitiv mit Nein beantwortet werden:
- der Umschlag war und ist nachweisbar leer
- der Adressat und dessen Adresse sind gestempelt, was die Vermutung nahelegt, dass Adressat und Absender (Adressent) ein und dieselbe Person waren; weshalb sonst sollte der Adressent im Besitz eines Adressstempels des Adressaten sein
- die Stempelabschläge sind fast schon perfekt zu nennen (Gefälligkeitsabstempelung)
- der Umschlag weist keinerlei Postlaufspuren auf, was die postalische Beförderung des Briefes unwahrscheinlich macht
Mein Fazit: dieser Beleg ist zwar philatelistische Mache, jedoch macht das nichts. Erstens war der Macher mehr als nur philatelistisch angehaucht. Zweitens wären beispielsweise die heutigen Sammler von originalen, tatsächlich beförderten Zeppelinbelegen arm dran, hätte nicht ein windiger und findiger Händler aus Lorch in Württemberg namens Sieger frühzeitig eine riesige Menge solcher Belege gemacht. In der Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg fällt mit zu diesem Thema auch das Stichwort Prell-Briefe ein. Der in Chemnitz wohnhafte, philatelistisch gut bewanderte Lehrer Walter Prell hat eine grosse Menge Belege aus sämtlichen Zonen des besetzten ehemaligen Deutschen Reichs an sich selbst versandt resp. mit Gefälligkeitsstempeln versehen lassen.
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Zu Beginn des Beitrages schrieb ich, das Interessante an diesem Beleg sei, dass Fragen offen bleiben würden. Nachstehend einige dieser offenen Fragen:
Wer war der Adressent? Wir dürfen vermuten, dass es sich um Lieutenant Gérig handelt. Jedoch: Vielleicht hatte der tatsächliche Adressent auch nur einen stehenden Auftrag des Adressaten, ihm philatelistisch interessante Belege zuzusenden; dies wäre eine mögliche Erklärung für den Besitz des Adressstempels.
Wer war Lieutenant Gérig, der entweder in Lyon stationiert oder dessen Heimatstandort in Lyon war? Eine zugegebenermassen oberflächliche Recherche hat hierzu nichts zutage gebracht. Solltet ihr Hinweise zu dem Adressaten haben, wäre ich über eine E-Mail dankbar.
Ach ja … ich finde es erstaunlich, wie rasch die Briefmarkensammler nach diesem jahrelangen, mörderischen Vernichtungskrieg, den die Deutschen losgetreten hatten, begannen, normal zu agieren.
Bis dann
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