Wiederkehrende Feldmerkmale (VI) – Die ‹Augenbraue›

FOLGE 5

Hallo

Wiederkehrende Feldmerkmale; zum sechsten Mal ist dies der Titel eines meiner Beiträge. Kein Grund, sich entspannt zurückzulehnen: Denn für Spannung habe ich gesorgt. Stelle ich im Folgenden doch zwei Feldmerkmale vor, die beide:

  • im MICHEL® Saar-Spezial 2017 als Plattenfehler (sic!) gelistet sind und
  • viele Amis Faux haben, die von Verkäufern häufig – und häufig aus Unwissen – als vermeintlich höherwertige Marken angeboten werden (vgl. hier).

Ich verspreche euch, ihr werdet nach der spannenden Lektüre eure Saar-Sammlung hervorholen und schauen, ob nicht ein bislang unerkannter Ami Faux darin schlummert. Ich möchte nochmal betonen. Amis Faux sind sammelwürdig. Einer Marke mit dem korrekten Feldmerkmal eine Marke mit einem Ami Faux gegenüberzustellen, erhöht durchaus die Aussagekraft einer Sammlung.

Wer mit dem Begriff Ami Faux noch nichts anfangen kann, den verweise ich auf die Erläuterung am Schluss dieses Beitrags.

Ach ja! Ich verspreche euch auch, dass dieser Beitrag mehr Abbildungen aufweist, als der vorhergehende. Generell sind aussagekräftige Abbildungen nicht nur das Salz in der Suppe eines gelungenen Beitrags, es sind auch die aufwendigsten Teile desselben. Ob dies der Grund ist, weshalb in den durchschnittlichen Briefmarken-Katalogen daran Mangel herrscht?

Genug der Vorrede. Ich möchte mit einer Frage beginnen:

Würdet ihr eine Marke des 10 Pfennig-Werts der 1. Offenburger Ausgabe mit dem Feldmerkmal auf Anhieb erkennen, welches im Michel unter MiNr. 210Z V katalogisiert ist?

Die versierten Saar-Sammler unter euch werden nun sicherlich wie aus der Pistole geschossen antworten:

Ist das nicht die violette Marke mit der Einbuchtung über der 0 der Wertangabe 10?

Die anderen werden wahrscheinlich erst einmal den einen oder anderen Briefmarkenkatalog zu Rate ziehen müssen.

Was ist nun an diesem Feldmerkmal so interessant, das ich darüber einen Beitrag verfasse? Diese Marke ist ja nicht unbedingt besonders selten. Dieses wiederkehrende Feldmerkmal – wie alle wiederkehrenden Feldmerkmalen – tritt auf beiden Teilbögen der 200 Marken umfassenden Druckbögen auf. Es wurden 1947 nach offiziellen Quellen insgesamt 40’400 Exemplare gedruckt. 363 Exemplare wurden im Verlauf der saarländischen Währungsreform 1947 in Franken-Währung überdruckt (Malstatt-Burbacher Überdruckausgabe, MBD I auch Urdruck) und ca. 100 Exemplare wurden 1948 schlussendlich vernichtet. Einige Exemplare dürften auch aus anderen Gründen – nach Erhalt der Postsendung weggeworfen, eingerissen etc. – die Zeitläufte nicht überstanden haben. Die Marke ist mit MICHEL®-Euro 4,00 und damit realistisch etwa mit Euro 1,00 auch nicht allzu hoch bewertet. Ich gehe somit davon aus, dass sich wohl ein Exemplar auch in eurer Sammlung finden wird. Gerade die wahrscheinlich weite Verbreitung dieser Marke mit dem – recht auffälligen – Feldmerkmal macht diesen Beitrag ja so spannend.

Warum? Dafür brauche ich nur die eingangs gestellte Frage umformulieren:

Seid ihr sicher, dass ihr beim Kauf das Feldmerkmal korrekt erkannt habt, resp. der Verkäufer die entsprechende Marke korrekt identifiziert hat? Seid ihr sicher, dass in eurer Sammlung tatsächlich eine Exemplar mit dem Feldmerkmal vom Feld 4AB steckt?

Die typisch verschwurbelte Beschreibung im MICHEL® Saar-Spezial 2017 für die MiNr. 210Z V lautet:

Einkerbung über ‹0› der Wertangabe ‹10› (Feld 4).

Ich stelle nachfolgend drei Briefmarken vor, die alle als MiNr. 210Z PF V verkauf worden sind. Welche der Briefmarken zeigt korrekt das im Michel katalogisiere Feldmerkmal? Und … welche der gezeigten Varianten steckt in Ihrem Briefmarken-Album?

Die Beschreibung der MICHEL®-Redaktion passt gut, finde ich. Ihr auch? Das ist eine Kerbe!

Hier passt die Beschreibung ebenfalls, nicht wahr? Aber es ist doch keine Kerbe, eher eine Einbuchtung.

Tja, ebenfalls kein rechte Einkerbung – von was auch? – und so eine punktierte Farblinie um die Wertangabe ‹10›. Davon steht nichts im Michel. Also eher nicht, oder?

Der inzwischen verzweifelte Sammler, dem ja in der Regel nur eine einzelne Briefmarken und kein kompletter Schalterbogen oder eine Marke mit anhängendem Randstück vorliegt  – Feld 4 AB stammt aus der ersten waagerechten Bogenreihe, da könnte ein Randfeld mit Reihenwertzähler auftreten – dieser Sammler wirft entweder das Handtuch oder sagt sich: «Meine Marke passt schon.» Das ist meine Erfahrung aus unzähligen Gesprächen und Chats. Statt das Handtuch zu werfen, sollten diese Sammler lieber ihren Briefmarkenkatalog im Altpapier entsorgen.

Nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen können in der MICHEL®-Redaktion keine Briefmarkensammler und schon gar keine Philatelisten vertreten sein. Sonst dürften solche Schnitzer weder vorkommen und schon gar nicht über Jahrzehnte von Katalogausgabe zu Katalogausgabe mitgeschleppt werden.

Item. Unser fiktiver Sammler greift nach dem letzten Strohhalm. Es wird doch eine Abbildung des Feldmerkmals im teuren Katalog haben! Weit gefehlt. Für die über 100 Plattenfehler (sic!) bietet der teure Michel-Katalog lausige 14 Abbildungen. Davon sind aber – leider – nicht alle korrekt (vgl. hier). Pech, sagen die einen. Zum Fenster herausgeworfenes Geld, sage ich.

Ich möchte eure Geduld nicht über Gebühr strapazieren. Ich biete euch bei in diesem Blog das, was unserem fiktiven Sammler fehlt. Eine Marke mit anhängendem Oberrand und Reihenwertzähler, einer der Bogenrandsignaturen die auf Bögen der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar vorkommen.

Das, was nicht im MICHEL®-Katalog steht, ist das entscheidende Kriterium zur sicheren Bestimmung des Feldmerkmals: eine dünne, gestrichelte, farbige Linie rund um die Wertangabe ‹10›.  Ein Blick in das Saarhandbuch:

Einkerbung über der Null. Kontur an der 10.

Diese Beschreibung ist auch kein Ausbund an (vor-)bildlicher Beschreibung. Aber es wird eine Kontur erwähnt. Also etwas, was neben der «Einkerbung über der Null» vorhanden sein muss. Nur was ist eine Kontur? Das Saarhandbuch liefert leider ebenfalls keine Abbildung des Feldmerkmals.

Nicht nur der Titel meine Beitrags verrät es: Es handelt sich um ein wiederkehrendes Feldmerkmal. Schauen wir, welche Erkenntnisse sich aus einem Vergleich ergeben.

Das Feldmerkmal tritt nicht nur, aber im Michel-Katalog gelistet auch beim 8 Pfennig-Wert auf. Wie beim 10 Pfennig-Wert existieren auch hier, wenn auch weniger, Amis Faux. Weshalb dieser Abstecher? Einerseits möchte ich Ihnen ja ein wiederkehrendes Feldmerkmal anhand von zwei Beispielen vorstellen. Andererseits ist dieses Beispiel erheiternd: Copy/Paste scheint schon vor der weiten Verbreitung von Computern nicht immer zum gewünschten Ergebnis geführt zu haben.

Abgebildet sind: oben, 8 Pfennig Feld 44AB (MiNr. 209Z III) und unten ein Ami Faux, 8 Pfennig Feld 15AB

Was bei dem 8 Pfennig-Wert, Feld 44AB, generell besser zu erkennen ist, als beim 10 Pfennig-Wert, ist die gestrichelte, farbige Linie rund um die Wertziffer. Was daran so erheiternd ist?

Das Saarhandbuch schreibt:

Kontur um die 8. Einbuchtung über der 8.

Die MICHEL®-Redaktion macht aus dieser Vorlage:

Kontur über der Wertziffer 8 ausgebuchtet.

Kein Wunder, dass Sammler schier verzweifeln.

Bei beiden Feldmerkmalen, beim 10 Pfennig-Wert als auch beim 8 Pfennig-Wert ist neben der Einbuchtung und dem gestrichelten Farbstrich eine weitere Gemeinsamkeit festzustellen: ein oben dunkler Rand der Einbuchtung, die ich Augenbraue getauft habe.

Eine korrekte Beschreibung dieses Feldmerkmals, welches auch auf anderen Werten der 1. Offenburger Ausgabe mit dem Bildmotiv Bergmann im Streb vor Saarlandschaft auftritt, wäre aus meiner Sicht:

«Dunkle Augenbraue. Einbuchtung des unteren, rechten Bildrands oberhalb der 0 der Wertangabe 10; feiner, gestrichelter Farbstrich um die Wertangabe herum.» Vorsicht: Amis Faux.

Diese Buttons bringen euch zu den anderen Beiträgen über wiederkehrende Feldmerkmale bei der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar.

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Am Schluss dieses Beitrages zitiere ich aus einem Vortrag, den ich im Jahr 2016 vor der ArGe Saar gehalten habe:

«Lassen Sie mich ein Fazit ziehen. Die Beschreibungen der Feldmerkmale der Werte der 1. Offenburger Ausgabe im Michel sind äusserst knapp bemessen. Hinzu kommt die sehr sparsame Verwendung von Abbildungen. Nur die Verlagsredaktoren zu schelten wäre jedoch zu einfach. Ausführliche Beschreibungen oder mehr Abbildungen benötigen Platz, was den ohnehin hohen Preis des Produkts weiter erhöhen würde. Sind wir Sammler bereit, einen höheren Preis zu bezahlen? Andererseits leidet aus meiner Sicht die Glaubwürdigkeit der Institution MICHEL®, wenn der verständliche Wunsch nach Platzeinsparung und Margenoptimierung zu Lasten von Genauigkeit, Klarheit und Prägnanz resp. zu Lasten der Sammler geht. Mein Wunsch an die Michel-Redaktion: Für die nächste – längst überfällige – überarbeitete Neuausgabe des Handbuch-Katalogs Saar mehr Platz einkalkulieren und nicht nur das vorliegende Material aus dem MICHEL® Deutschland-Spezial und dem Ganzsachen-Katalog Deutschland ein weiteres Mal verwerten.»

Tja, fast drei Jahre später kann ich feststellen, dass sich an der Ausgabepolitik des Schwaneberger-Verlages rein gar nichts geändert hat. Auch die 4. Auflage des Saar-Kataloges von 2017 wimmelt nur von Ungenauigkeiten, Auslassungen und Fehlern.

FOLGE 7

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Definition Ami Faux

Briefmarken mit Feldmerkmalen, auf welche die vagen, unpräzisen Beschreibungen von in der Regel höherpreisigen Abarten, die in Briefmarken-Katalogen und/oder Handbüchern aufgeführt sind, ebenfalls zutreffen, jedoch von einem anderen Bogenfeld stammen. Das Angebot an Amis Faux ist insbesondere auf Internetauktionen hoch und wird durch die in Katalogen häufig fehlenden Abbildungen befördert.

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Steckbrief des 8 Pfennig-Werts
  • Wert: 8 Pfennig
  • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
  • Farbe: feuerrot
  • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
  • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
  • Wasserzeichen: ohne
  • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
  • Bekannte Druckdaten: das Wochenende vom 15./16. Februar 1947
  • Erstausgabedatum: 7. März 1947
  • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
  • Auflage: 2’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit etwa 2’507’000 Stück am Schalter verkauft wurden
  • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 44AB, «Dunkle Augenbraue. Einbuchtung des unteren, rechten Bildrands oberhalb der 0 der Wertangabe 8; feiner, gestrichelter Farbstrich um die Wertangabe herum»

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Steckbrief des 10 Pfennig-Werts
  • Wert: 10 Pfennig
  • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
  • Farbe: Purpurviolett
  • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
  • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
  • Wasserzeichen: ohne
  • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
  • Bekannte Druckdaten: 12.-14. Februar 1947
  • Erstausgabedatum: 7. März 1947
  • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
  • Auflage: 4’040’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit etwa 3’990’000 Stück am Schalter verkauft wurden. Ein Grossteil des Restbestandes wurde für den Malstatt-Burbacher Druck (MBD) mit der Wertangabe 1 F überdruckt.
  • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 4AB, «Dunkle Augenbraue. Einbuchtung des unteren, rechten Bildrands oberhalb der 0 der Wertangabe 10; feiner, gestrichelter Farbstrich um die Wertangabe herum»

Bis dann

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