Hallo
Im letzten Beitrag sind wir zeitlich an der Schwelle zum 20. Jahrhundert stehen geblieben. Das Gebiet des heutigen Saarlandes besteht aus drei Territorien: dem südwestlichen Teil der preussischen Rheinprovinz, dem westlichen Zipfel der bayrischen Pfalz und – mittendrin – dem zum Grossherzogtum Oldenburg gehörigen Fürstentum Birkenfeld. Das Postwesen liegt in der Pfalz in der Hand der königlich-bayerischen Postverwaltung und in den beiden restlichen Gebieten in der Hand der preussisch dominierten Deutschen Reichspost.
1914-1919: Der erste Weltkrieg endet in einer totalen Niederlage der Mittelmächte Österreich-Ungarn, Deutsches Kaiserreich und Osmanisches Reich. Grosse Gebiete, insbesondere in Belgien, Frankreich, Italien, Rumänien, Galizien, Russland und auf dem Balkan sind verwüstet. Aber-Millionen Soldaten sind gefallen oder verwundet. Aber-Millionen Menschen sind weltweit verhungert oder an der Grippe gestorben. Die Regierung des osmanischen Reiches führt an den armenischen Einwohnern gezielt und systematisch Massaker und Todesmärsche durch, die hunderttausende Opfer fordern.
Die Pariser Vorortverträge sollen nun im Sommer 1919 endlich Frieden schaffen, sollen verhindern, dass eine solch schreckliche Katastrophe unvorstellbaren Ausmasses nochmals die Menschheit heimsucht. Doch Rachsucht und mangelnde Diplomatie auf allen Seiten verkehren die Vorortverträge ins Gegenteil. Sie werden die Keimzellen für Mord, Vertreibung und weiteren Krieg. Auch nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 geht das Das Schlachten, Morden und Vertreiben munter weiter:
- 1917-1923: russischer Bürgerkrieg unter Beteiligung der Entente-Mächte (Sowjetisierung Russland)
- 1918-1920: Lettisch-Russischer Krieg (Unabhängigkeit Lettlands)
- 1919: Rumänisch-ungarischer Krieg
- 1919-1921: Irisch-britischer Krieg (Unabhängigkeit Irlands)
- 1919-1921: Polnisch-russischer Krieg
- 1919-1922: Griechisch-türkischer Krieg (Massenvertreibung von Türken aus Griechenland und Griechen aus der Türkei)
- 1920: Türkisch-armenischer Krieg
- 1920-1922: Polnisch-litauischer Krieg
- 1921-1926: Rifkrieg zwischen nach Unabhängigkeit strebenden marokkanischen Rif-Kabylen auf der einen und Spanien sowie Frankreich auf der anderen Seite (Kolonialkrieg, Spanien setzt im grossen Masse auf Giftgas und wird bei Planung, Produktion und Einsatz durch deutsches Militär, deutsche Industrie und deutsche Fachleuten unterstützt)
Für das Saarland ist von den Pariser Vorortverträgen insbesondere der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Versailler Vertrag von Bedeutung. In den Artikeln 45-50 und den zugehörigen Anhängen wird eine als Territoire du bassin de la Sarre bezeichnete (im Folgenden Saargebiet genannte) Region des heutigen Saarlandes für die Dauer von 15 Jahren dem neu gegründeten Völkerbund als Mandatsgebiet unterstellt. Die Grenzen dieses Saargebiets werden so gewählt, dass diese neben den Kohlegruben auch die Wohngebiete der Bergarbeiter einbeziehen. Das Saargebiet (nachfolgend Abbildungen von Flagge, Wappen und eine ungefähre Karte) umfasst gesamthaft eine Fläche von ca. 1’920 Quadratkilometern mit etwa 780’000 Einwohnern.
Es ist vorgesehen, dass nach Ablauf von 15 Jahren ein Volksentscheid über den Verbleib des Saargebiets entscheiden soll. Zur Auswahl stehen der Anschluss an Frankreich, der Anschluss an das Deutsche Reich oder der Verbleib beim Völkerbund (Status Quo).
Das Eigentum an den Steinkohlengruben des Saargebiets und das Recht zur alleinigen Ausbeutung derselben wird aufgrund der Vertragsbestimmungen ohne zeitliche Begrenzung, der französischen Republik zugesprochen. Dies soll zumindest zu einem kleinen Teil eine deutsche Wiedergutmachung für die enormen, von Deutschen in Frankreich angerichteten, in einigen Gebieten sogar bis heute – mehr als 100 Jahre später – noch sichtbaren Verheerungen und Schäden sein. Die saarländischen Bergleute erhalten 1920 somit allesamt neue Arbeitgeber.
1920: Der Völkerbund setzt nach dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags am 10. Januar 1920 für das Saargebiet die Commission de gouvernement du bassin de la Sarre, eine international besetzte Regierungskommission ein, welche am 26. Februar 1920 (1) in Saarbrücken ihre Arbeit aufnimmt. Präsidenten der Regierungskommission sind:
- Victor Rault 1920-1926
- George Washington Stevens 1926-1927
- Sir Ernest Wilton 1927-1932
- Sir Geoffrey Knox 1932-1935
Ein Mitglied der Commission de gouvernement du bassin de la Sarre ist immer ein Saarländer.
Postwesen: Das Saargebiet tritt ab dem 29. Januar 1920 erstmals als eigenes Postgebiet in Erscheinung. Erste Ausgaben waren mit ‹SARRE› resp. ‹SAARGEBIET› überdruckte Werte der bayerischen Post sowie der Reichspost. Bereits 1920 wurde eine eigene Markenausgabe in (Reichs-) Mark verausgabt.
Mit der Einführung der Frankenwährung per 1. Mai 1921 wurden die Werte der ersten Reichsmark-Ausgabe mit neuen Währungsangaben überdruckt. Etwas, was sich 26 Jahre später wiederholen würde.
Das Saargebiet verausgabt in den 15 Jahren seines Bestehens 205 Briefmarken; die letzte Ausgabe erfolgt am 1. Dezember 1934. Der Letzttag der Briefmarken des Saargebiets ist der 28. Februar 1935 (vgl. hier).
1935: Der Volksentscheid im Saarland wird nach langem ‹Wahlkampf› (vgl. hier und hier) am Sonntag, 13. Januar 1935, abgehalten.
Die wahlberechtigen Saarländer – von denen viele gar nicht mehr im Saarland leben, sondern von unterschiedlichen nationalsozialistischen Organisationen in Sonderzügen und Bussen dorthin gekarrt werden – entscheiden sich unter anderem unter massivem Einfluss der katholischen Kirche (vgl. hier Anmerkung 8), trotz durchaus bekannter Gräueltaten und menschenverachtender Gesetze mit grosser Mehrheit dem nationalsozialistisch regierten Deutschen Reich beizutreten. Eine Entscheidung die viele von ihnen binnen weniger Monate bereuen werden.
1. März 1935: Das Saargebiet wird nicht, wie von vielen Saarländern angenommen, wieder Bayern und Preussen angegliedert, sondern Reichsland unter dem Nazi-Schergen, ehemals Saar-Beauftragten Hitlers und neu ernannten Reichskommissar Josef Bürckel.
Postwesen: Ersttag der Briefmarken der Deutschen Reichspost im Reichsland Saarland ist der 1. März 1935. Als eigenes Postgebiet tritt das Saarland für die kommenden 12 Jahre nicht mehr in Erscheinung.
Das Saargebiet oder das Saarland als Entität, als territoriale Einheit existiert nicht mehr. Es ist ein gleichgeschalteter Teil des menschenverachtenden und kriegsverherrlichenden Dritten Reichs der Deutschen. Dieser Zustand wird sich für die Saarländer nach langer, schwerer Zeit glücklicherweise noch einmal ändern.
Davon mehr im kommenden Beitrag.
Bis dann
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Anmerkung
(1) Datum der in Saarbrücken abgegebenen Regierungserklärung
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