Hallo
In diesem Beitrag behandeln wir den 80 Pfennig-Wert, den letzten der drei Werte der 1. Offenburger Ausgabe mit dem Bildmotiv Alter Turm in Mettlach. Die Beiträge zu den anderen beiden Werten des Bildmotivs findet ihr hier und hier.
Der SAARPHILA-BLOG bietet euch auch in diesem Beitrag wieder Informationen, die ihr sonst nirgendwo erhaltet, auch nicht in einschlägiger Fachliteratur. Dieses Mal konnte durch meine Forschungen das Saarhandbuch, SHB Kapitel 402, 5/6 (Bogennummern und Daten) entscheidend ergänzt werden.
Die Marken des orangefarbenen 80 Pfennig-Werts wurden – wie sämtliche Werte der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar – bei der Druckerei Franz Burda in Offenburg auf einer Palatia O Rotations-Rastertiefdruckmaschine aus dem Hause Schnellpressenfabrik Albert & Cie. oHG, Frankenthal, hergestellt.
Der 80 Pfennig-Wert war ein wichtiger Hauptwert der Ausgabe und konnte bis zur Tarifanpassung am 15. September 1947 für eine Vielzahl von Frankaturen eingesetzt werden. Von besonderer Bedeutung war der 80 Pfennig-Wert für die Abdeckung von Zuschlägen wie beispielsweise der Eilzustellungsgebühr im Ortsbereich.
- Inlandsbrief 3. Gewichtsstufe 250 g bis 500 g
- Päckchen bis 3 kg
- Postanweisung bis 500 Mark
- Gebühr (Zuschlag) für:
- Eilzustellung im Ortsbereich
- Behandlungsgebühr Wertsendungen bis 100 Mark
- ab dem 15. September 1947 auch für:
- Auslandsbrief 2. Gewichtsstufe 20 g bis 40 g
Achtet bei euren Marken und bei den in diesem Beitrag abgebildeten Marken des 80 Pfennig-Werts auf das Schriftband SAAR. Bei sehr vielen Marken sind die Querstriche der beiden A in SAAR kaum auszumachen. Ich vermute, dass dies mit der Konsistenz der verwendeten Farbe zusammenhängt.
Das Markenbild zeigt den Alten Turm in Mettlach. Der Alte Turm ist nicht, wie häufig geschrieben, der hohe schmale Turm an der rechten Seite des abgebildeten Gebäudes. Dies ist nur ein Mitte des 13. Jahrhunderts dem Alten Turm hinzugefügter Wendeltreppenturm. Der Alte Turm ist das gesamte imposante Gebäude mit den Strebepfeilern.
Erbaut wurde der Alte Turm im 10. Jahrhundert als Grabkapelle für den von katholischen Christen als Heiligen verehrte Luitwin. Das Gebäude ist im Erdgeschoss eine frühromanische Kryptakirche mit einem Wehrumgang im zweiten Geschoss. Der achteckige Grundriss ähnelt dem des Aachener Doms. Umbauten der romanischen Kapelle im gotischen Stil erfolgten im 14./15. Jahrhundert. Das anstatt des ursprünglich offen konzipierten Dachstuhls aufgesetzte gotische Zeltdach brannte 1628 ab. Zerstörungen nach der Säkularisierung der Benediktiner-Abtei und dem Abbruch der Abteikirche hätten zu Beginn des 18. Jahrhunderts fast zum Verfall des Gebäudes geführt. Auf Veranlassung von Eugen von Boch wurde der Alte Turm ab Mitte des vorletzten Jahrhunderts behutsam restauriert.
Das vorstehende Bild zeigt den 1989 zum 1000 Jahr-Jubiläum komplett restaurierten Alten Turm in etwa wie auf den Bildmotiven Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar. Links im Bild ist das Mauerwerk eines Seitenflügels der ehemaligen Benediktiner-Abtei Mettlach zu erkennen, seit 1809 bis heute Sitz der bekannten Steingut- und Keramikfabrik Villeroy & Boch. Wie gross der Baum vor dem Alten Turm, der bereits auf Jonynas‘ Bildmotiv zu erkennen ist, inzwischen geworden ist!
Der Alte Turm zierte als Motiv bereits einige der Briefmarken des Saargebietes, die von Alfred Montader entworfen wurden:
Der Entwerfer Vytautas Kazimieras Jonynas verwendet für sein Bildmotiv nicht wie beim Bergmann, bei den Stahlwerkern oder bei den Bäuerinnen stilisierte Umgebungen und Personen. Er greift auch nicht auf die Darstellung der Marken des Saargebietes zurück. Sein Bildmotiv Alter Turm ist eine fotorealistische Darstellung auf 18,5 x 22 Millimeter inkl. dem Mauerwerk der alten Benediktinerabtei am linken Bildrand.
Der Alte Turm gilt als der älteste erhaltene Sakralbau des Saarlands und ist – wie die Saarschleife – eines seiner Wahrzeichen. Wie bedeutsam ein Wahrzeichen eines Gebietes für dessen Bewohner ist, kann auch daran abgelesen werden, wofür das Motiv benutzt wird. Hier beispielsweise als Etikette für Zündholzschachteln.
Abbildungen
Der 80 Pfennig-Wert gehört zu den Werten der Originalausgabe, welche die P.T.T Saarbrücken im Sommer 1947 nicht nachdrucken liess. Daher erscheinen hier auch keine Abbildungen der Neu- resp. Überdruckausgabe.
Dokumentation des Druckdatums der Originalausgabe, Antiquaschrift ohne Doppelpunkt, Typ III
Antiquaschrift – anstatt der üblichen Groteskschrift – kam ausschliesslich am 16./17. Februar 1947 für den Druck des Druckdatums zum Einsatz. Gedruckt wurden an diesen Tagen die Werte:
- 8 Pfennig (16. Februar 1947)
- 80 Pfennig (17. Februar 1947) wurde ab Arbeitsbeginn gedruckt
- 40 Pfennig (17. Februar 1947) wurde danach gedruckt
Wie ich bereits im Beitrag zum 8 Pfennig-Wert schrieb, wurden die ersten Druckbögen dieses Wertes am 16. Februar 1947 versehentlich mit einem Druckdatum, welches anstatt eines Punkts nach der Tagesangabe ein Komma aufwies, versehen (vgl. nachstehende Abbildung).
Dieser Faux pas wurde rasch entdeckt. Nur … das Komma wurde nun nicht durch einen Punkt ersetzt, sondern nur einer sicherlich aufwendigen, aber stümperhaft ausgeführten Retusche unterzogen. Das Ergebnis war ein verstümmeltes Komma, welches die Druckdaten sämtlicher danach gedruckten Bögen des 8 Pfennig-Werts aufweisen.
Soweit findet ihr die Informationen auch im Saarhandbuch (SHB, Kap. 402, 5/6).
Im Saarhandbuch steht jedoch nicht, was der SAARPHILA-BLOG in diesem Beitrag erstmals dokumentiert: Das verstümmelte Komma findet sich nicht nur auf den am 16. Februar 1947 hergestellten Druckbögen des 8 Pfennig-Werts, sondern ebenfalls auf sämtlichen am 17. Februar 1947 hergestellten Bögen des 80 Pfennig-Werts (Erstpublikation).
Wir können mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die missglückte Retusche des Druckdatums Typ III mit ein Auslöser für die bereits am 17. Februar 1947 beim der Herstellung des 40 Pfennig-Werts vollzogenen Rückkehr zur Verwendung des Druckdatums Typ II in Groteskschrift war.
Gut erhaltene Eckrandstücke mit Druckdatum sind von A-Bögen des 80 Pfennig-Werts genauso schwer zu finden wie beim 25 Pfennig-Wert, beim 45 Pfennig-Wert und beim 75 Pfennig-Wert. Der Grund ist immer derselbe: Eine Marke weist ein im Michel-Katalog gelistete Feldmerkmal auf, daher wurde diese Marke häufig aus vorhandenen Bogenteilen herausgelöst. Im Fall des 80 Pfennig-Werts ist dies die Marke vom Feld 99A (MiNr. 223 I).
Mehr Informationen zu den Feldmerkmalen der 1. Offenburger Ausgabe werdet ihr in der nächsten Beitragsserie dieses Blogs finden.
Dokumentation eines Schalterbogens
Dokumentation Bogennummern
Bei der Bogenecke des A-Bogens ist sehr schön die Perforationsanomalie zwischen erster und zweiter senkrechter Markenreihe zu erkennen.
Hinweis: Die bei der Druckerei Franz Burda für die im Buchdruck erstellten Bogenrandsignaturen verwendete Schnellpresse Typ Rex hatte zwei Nummerierwerke (je eines für den A- und für den B-Bogen), die rückwärts zählten. Höhere Bogennummern bedeuten einen zeitlich früheren Druck als niedrigere Nummern.
Dokumentation Raue und verschobene Perforation
Wir könnten bei dieser Abbildung auch von einem dezentrierten Markenbild sprechen, nur wäre dies falsch. Weshalb? Der Druck auf dem unperforierten Druckbogen ist korrekt erfolgt, nur der darauffolgende Vorgang der Perforation auf der Titan Flachperforiermaschine ist nicht so abgelaufen, wie vorgesehen. Daher ist verschobene Perforation bei allen Werten der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar der korrekte Begriff. Für die Details der Herstellung vgl. hier.
Raue Perforation entstand, wenn die Mitarbeiter die Titan Flachperforiermaschine mit mehr als den maximal zulässigen vier Druckbögen befüllten und/oder die Stifte des Perforationskamms stumpf waren.
Weitere Blog-Beiträge zu Marken des 80 Pfennig-Werts findet ihr hier:
- Wiederkehrende Feldmerkmale (III) – Der „Wasserspeier“
- Feldmerkmale – Neues Merkmal 80 Pfennig Feld 10AB
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Steckbrief des 80 Pfennig-Werts
- Wert/Währung: 80 (Reichs-) Pfens gelbbräunliches Papier mit häufigen Holzeinschlüssen; farbige, feine Stofffäden nicht unüblich
- Wasserzeichen: kein
- Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
- Druckverfahren: Rastertiefdruck auf Rotations-Tiefdruckmaschine Palatia O
- Masse: ca.22 x 26 Millimeter / ca. 18.5 x 22.5 Millimeter (Markenbild mit Schriftband)
- Perforation: Kammzähnung durch Titan Flachperforiermaschine
- Zähnungsmass: 14:14 mit minimen Schwankungen
- Bogenrandsignaturen:
- durchgehend 5-stellige Bogennummern (vgl. Abbildung)
- Druckdatum ausgeführt in Antiquaschrift Typ III mit verstümmeltem Komma
- Druckdatum/-daten: 17. Februar 1947
- Auflage: 1’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit ca. 1’515’000 Stück verkauft wurden
- Erstausgabetag: 7. März 1947
- Verkauf bis: 19. November 1947
- Gültigkeit: 7. März 1947 bis 27. November 1947
- Hauptwert/Ergänzungswert: Hauptwert
- Katalognummern (Aufzählung):
- End/Becker: 223
- Paul Staedel: 18
- F.S.A.: 213
- MICHEL®: 223
- ANK: 223
- Scott: 169
- Stanley Gibbons: 220
- Yvert & Tellier: 213
- Neuausgabe im Herbst 1947: nein
Bis dann
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